Viele Menschen fragen mich immer wieder, was für einen gesunden Darm wichtig ist. Die Frage lässt sich aus Sicht der Wissenschaft sehr schnell beantworten:
„Eat the rainbow“!
So lautet meine goldene Regel der Ernährung. Möglichst viele verschiedene Farben essen – und dabei meine ich nicht künstlich gefärbte Lebensmittel wie Skittles oder M&M´s!
Sondern leckeres und nährstoffreiches Obst, Gemüse, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Nüsse, Samen und Kräuter.
Aber was genau versteht man darunter und warum ist es so wichtig eine Vielzahl an farbenreichem Obst und Gemüse zu essen?
Diesen Fragen gehe ich im heutigen Beitrag auf den Grund.
Warum ist pflanzliche Farbenvielfalt für uns und unseren Darm so wichtig?
1. ´Eat the rainbow´ fördert die Vielzahl und Stärke der guten Darmbakterien in unserem Mikrobiom.
Oftmals greifen wir immer wieder zu denselben Früchten und Gemüse – Apfel, Banane, Salatgurke, Karotten, Paprika, Tomaten und Co. Sie schmecken, sind gesund und wir wissen, wo wir sie im Supermarkt finden. Andere Sorten verlieren wir meist aus den Augen.
Sind wir einmal exotisch unterwegs, darf es auch mal Fenchel oder Pomelo sein.
Aber für unseren Körper und unsere Darmgesundheit ist eine Vielzahl verschiedener pflanzlicher Lebensmittel sehr wichtig. Je unterschiedlicher und vielfältiger unsere Nahrungspflanzen sind, desto vielfältiger setzt sich auch unser Mikrobiom zusammen – ein absoluter Gamechanger in Sachen Darmgesundheit!
Ihr könnt euch das folgendermaßen vorstellen:
Je bunter und ausgewogener ihr esst, desto zahlreicher sind die Nährstoffe und Ballaststoffe, die ihr aufnehmt. So füttert ihr möglichst viele verschiedene, gute Darmbakterien – denn diese sind oft genauso wählerisch wie wir. Je stärker die guten Darmbakterien sind, desto besser funktioniert euer Darm und schützt ihn vor Dysbalancen.
Essen wir lediglich die Tomatensoße zu den Nudeln und am nächsten Tag die Soßenreste auf der Pizza, füttern wir unsere Darmbakterien immer nur mit den gleichen Nährstoffen. Die Vielfalt unserer Darmbakterien wird so sicherlich nicht gefördert.
Unsere Darmbakterien lieben und brauchen die Vielfalt! Sie sind unsere kleine Helferchen, die möglichst breit aufgestellt und ausgebildet sein möchten. Alles andere ist für sie viel zu eintönig.
2. ´Eat the rainbow´ kann uns vor Krankheiten bewahren.
Doch nicht nur die Darmvielfalt an sich ist ein positiver Aspekt, mehr verschiedene pflanzliche Lebensmittel zu essen. So zahlreich uns Obst, Gemüse und Co. netterweise Vitamine, Mineralien, Antioxidantien und Phytochemikalien zur Verfügung stellen, so immens ist deren Heilkraft. Sie können unseren Körper vor Krankheiten schützen.
Studien zeigen, dass die sekundären Pflanzenstoffe, die in den Pflanzen enthalten sind, Stoffwechselprozesse positiv beeinflussen können und sie physiologisch wirksam sind. Ihre Eigenschaften wurden bereits in zahlreichen Zellkultur- und Tierversuchen belegt.
Die Ergebnisse aus Tiermodellen können zwar nur bedingt auf den Menschen übertragen werden, für die Effekte bei der Humanernährung liegen jedoch Daten aus Beobachtungsstudien vor, die diese Zusammenhänge aufzeigen, jedoch ohne Ursache-Wirkungs-Mechanismus. So wurde z.B. beobachtet, dass eine hohe Aufnahme von sekundären Pflanzenstoffen das Risiko für bestimmte Krankheiten verringert. Dazu zählen u.a. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Gefäßverengungen, Demenz und altersbedingte Augenerkrankungen.
Ob die Effekte nun auf die einzelnen sekundären Pflanzenstoffe oder auf bestimmte Gruppen zurückzuführen ist, ist noch nicht vollkommen geklärt. Klar ist aber, dass der vermehrte Konsum von pflanzlichen Lebensmitteln einen nachweisbaren präventiven Effekt besitzt. Deshalb wird der vielfältige Verzehr von Obst und Gemüse inklusive Hülsenfrüchte, Nüssen, Samen und Vollkornprodukten als Quellen für sekundäre Pflanzenstoffe empfohlen.
Ihr steigert somit also nicht nur eure Bakterienvielfalt im Darm, sondern sichert euch gleich noch einen „Gesundheitboost“ dazu.
Warum haben Gemüse und Co. so viele verschiedene Farben und eine gesundheitsfördernde Wirkung?
Die Farbe in unseren pflanzlichen Lebensmitteln resultiert aus den Pflanzeninhaltsstoffen, den sogenannten sekundären Pflanzenstoffen, wie z.B. Lutein, Anthocyane, Flavonoide, Glucosinolate. Enthalten sind diese in Obst und Gemüse, Hülsenfrüchten, (Vollkorn-)Getreide, Kräutern und Gewürzen, Nüssen und Samen.
In erster Linie haben sie folgende Funktionen: Pflanzen z.B. vor der Sonne und Fressfeinden schützen und Insekten zu ihrer Bestäubung anlocken, um so ihre Fortpflanzung zu garantieren.
Die Pflanzeninhaltsstoffe haben allerdings auch für uns Menschen gesundheitsfördernde Eigenschaften. So wirken sie u.a.:
- antioxidativ
- antikanzerogen
- regulierend auf Blutdruck, -zucker und Cholesterinspiegel
- anti-thrombotisch
- immunmodulierend
- entzündungshemmend
- antimikrobiell
Wie ihr seht, sind die sekundären Pflanzenstoffe kleine Wunderwaffen, die mit jeder Mahlzeit in unseren Körper unseren Arztkoffer mit möglichen Mitteln gegen Krankheiten erweitern. Allerdings ist es nicht sinnvoll allein mit 20 Verbänden ausgestattet zu sein, wie es der Fall wäre, wenn ihr euren Gemüsekonsum auf beispielsweise Tomaten beschränkt. Da wäre doch ein Pflaster, ein Desinfektionsmittel und eine Pinzette dazu weitaus hilfreicher.
Doch welche Farbe bietet jetzt welche gesundheitlichen Vorteile?
In der folgenden Tabelle habe ich euch die Farben mit ihren dazugehörigen Phytochemikalien zusammengestellt und welche potentiellen, gesundheitlichen Vorteile mit ihnen einhergehen.
Tabelle: Eigenschaften, Vorkommen und mögliche gesundheitsfördernde Wirkung von sekundären Pflanzenstoffen:
Farbe | Lebensmittel | Phytochemikalien | Vorteile |
---|---|---|---|
Rot | Tomate, Wassermelone | Carotinoide, wie z.B. Lycopin | Antioxidantien, schützt vor Prostatakrebs |
Orange | Karotte, Süßkartoffel, Kürbis | Carotinoide, wie z.B. Beta-Carotin | Gesunde Haut, Augen und starkes Immunsystem |
Gelb – Orange | Orange, Zitrone, Pfirsich | Limonode, Flavonoide | Schützt vor Krebs und Herzerkrankungen |
Grün | Spinat, Grünkohl | Chlorophyll, Lutein | Gesunde Augen, schützt vor Krebs |
Grün – weiß | Brokkoli, Rosenkohl, Blumenkohl, Weißkohl | Indol, Isothiocyanate | Präventiv gegen Krebs |
Weiß – grün | Knoblauch, Zwiebeln, Schnittlauch, Spargel | Allil Sulfid | Senken Cholesterin und Blutdruck, reduziert Risiko für Magenkrebs und Herzerkrankungen |
Blau | Blaubeere, Brombeere | Anthocyane | Antioxidativ, verbessert das Gedächtnis, schützen vor Krebs |
Lila | Weintraube, Pflaume | Resveratrol | Verringern Cholesterin, schützen vor Blutgerinnsel |
Braun | Hülsenfrüchte, Vollkorn | Ballaststoffe | Schützen vor Krebs |
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, dass eine reichliche Menge an roten Lebensmitteln euch nicht allein vor Prostatakrebs schützt. Vielmehr gilt es die Vielfalt der Natur zu nutzen und möglichst viel unverarbeitete, pflanzliche Lebensmittel zu essen.
Was kann man also tun, um einen möglichst gesunden Darm und somit Körper zu haben?
Eat the rainbow! – und zwar täglich. Kombiniert möglichst viele verschiedene pflanzliche Lebensmittel in einer Mahlzeit, sodass diese bunt wie ein Regenbogen wird!
Eine gute Faustregel lautet:
Esst 30 verschiedene pflanzliche (!) Lebensmittel pro Woche.
Dies klingt erst einmal sehr viel, allerdings ist das gar nicht so schwer, wie ihr im ersten Moment vermutet.
Ich habe mich persönlich getestet und alle pflanzlichen Lebensmittel, die ich in einer Woche gegessen habe, aufgeschrieben. Mein Resultat: Ich habe in einer Woche über 40 verschiedene pflanzliche Lebensmittel gegessen! Allerdings muss ich zugeben, dass ich in dieser Woche sehr darauf geachtet habe, möglichst variabel zu essen, was ich sicherlich nicht in jeder Woche schaffe.
So gelingt die farbenfrohe Ernährung:
Mein Tipp für euch: Fangt klein an. 15 verschiedene pflanzliche Lebensmittel werdet ihr schaffen, da bin ich mir sicher. Eure Anzahl könnt ihr jede Woche steigern, bis ihr bei ungefähr 30 angelangt seid. Diese Tipps werden euch dabei helfen:
- Startet mit einem bunten Gericht: Macht euren Salat, euer Porridge oder eure Bowl zum farbenfrohen Genuss – so hast du bereits mit einer Mahlzeit gleich die ganze Farbpalette abgedeckt! Und dazu sieht es auch noch sehr schön und ansprechend aus.
- Esst nach Saison: Wer sich auch am saisonalen Angebot und somit an der Natur orientiert, wird ganz automatisch über das Jahr verteilt vielfältiger und bunter essen.
- Bleibt vielfältig innerhalb einer Farbgruppe: Nicht nur Karotten sind orange, sondern auch Süßkartoffel, Mango und Kürbis. Statt immer nur zu Tomaten, könnt ihr auch mal zu Rote Beete, Granatapfel und rote Paprika greifen.
- Neue Einkaufsgewohnheiten: In der Gemüseabteilung greifen wir aus Gewohnheit immer zu denselben Sorten. Geht doch mal in einen neuen Supermarkt einkaufen und entdeckt neue Gemüse- und Obstsorten, die ihr bisher noch nicht gekannt oder eher gemieden habt!
Startet noch heute und innerhalb weniger Tage und Wochen optimiert ihr so euer Mikrobiom, ihr fördert das Wachstum der nützlichen Bakterien und die maximale Vielfalt an Darmbakterien.
Klingt gut? Dann geht einkaufen, seid kreativ und bringt ein wenig Farbe in euer Leben und auf euren Teller!
Love and happy colourful eating,
Lisa.
Literatur:
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung: Sekundäre Pflanzenstoffe und ihre Wirkung auf die Gesundheit – Eine Aktualisierung anhand des Ernährungsberichts 2012. DGEinfo, 178–186 (2014).
- Watzl B: Einfluss sekundärer Pflanzenstoffe auf die Gesundheit. In: Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Hrsg. Ernährungsbericht 2008. DGE 2008: 335-346, Bonn (2008)
- Watzl B: Einfluss sekundärer Pflanzenstoffe auf die Gesundheit. In: Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Hrsg. Ernährungsbericht 2012. DGE 2012: 355–374, Bonn (2012)
- Watzl B, Leizmann C: Bioaktive Stubstanzen in Lebensmitteln. Hippokrates Verlag, 3. Auflage, Stuttgart (2005)
- Leitzmann C: Characteristics and Health Benefits of Phytochemicals. Forsch Komplementmed, 23: 69–74 (2016)
- Boeing H, Bechthold A, Bub A et al.: Critical review: vegetables and fruit in the prevention of chronic diseases. Eur J Nutr. 51. (6) 637-663 (2012)
- von Ruesten A, Feller S, Boeing H: Beeinflusst die Einhaltung der Empfehlungen des DGE-Ernährungskreises das Risiko für chronische Erkrankungen? Berechnung eines Healthy Eating Index – Daten der EPIC-Potsdam-Studie. Ernährungs Umschau 58 (5) (2011) 242-249